Grenzüberschreitend tätige Arbeitnehmer (vor allem Grenzgänger), die durch die Pandemie gezwungen sind zu Hause zu bleiben oder zu arbeiten, könnten bei Anwendung der herkömmlichen Regelungen sowohl steuerrechtliche als auch sozialversicherungsrechtliche Folgen zu tragen haben. Die Arbeit im Home Office führt steuerrechtlich dazu, dass Arbeitstage dem Wohnsitzstaat zuzuordnen sind und das darauf entfallende Arbeitsentgelt nach Art. 15 OECD MA bzw. Art. 14 DBA D-NL 2012 im Wohnsitzstaat zu versteuern wäre. Sozialversicherungsrechtlich kann Arbeit im Wohnsitzstaat, wenn sie auch in wesentlichem Ausmaß (25% der gesamten Arbeitszeit) dort erbracht wird (Art. 13 Abs. 2 Buchst. a VO 883/2004), zu einem Wechsel der Sozialversicherungspflicht in den Wohnsitzstaat bedeuten.
Um diesen mißlichen Folgen – teilweise – entgegenzuwirken, haben die Niederlande und Deutschland eine Verständigungsvereinbarung abgeschlossen (Konsultationsvereinbarung v. 6.4.2020: in Deutschland veröffentlicht als BMF-Schreiben v. 8.4.2020, IV B 3 – S 1301 – NDL/20/10004 :001; in den Niederlanden veröffentlicht als Besluit Staatssecretaris van Financien v. 10.4.2020, Stcrt. 2020, 21381)
Arbeitstage im Homeoffice
Nach der Vereinbarung gelten Homeoffice-Tage als in dem Vertragsstaat verbrachte Arbeitstage, in dem sie normalerweise während dieser Tage gearbeitet hätten. Allerdings gilt das nur, wenn eine direkte Kausalität zwischen Pandemie und Heimarbeit besteht. Hätte der Arbeitnehmer ohnehin an bestimmten Tagen zu Hause gearbeitet, gilt die Regelung nicht, d.h. die darauf entfallenden Lohnzahlungen sind nach den herkömmlichen Regelungen im Wohnsitzstaat zu versteuern. Das gilt auch für solche Tage, an denen der Arbeitnehmer in einem Drittstaat gearbeitet hätte.
Arbeitnehmer, die sich auf diese Vereinbarung berufen wollen, müssen die Zuordnung der Arbeitstage in beiden Staaten einheitlich anwenden und müssen geeignete Aufzeichnungen führen, unter Umständen kann eine Bescheinigung des Arbeitgebers über die Homeoffice-Tage erforderlich sein, an denen aufgrund der Pandemie im Wohnsitzstaat gearbeitet wurde. Die jeweiligen Einkünfte müssen auch tatsächlich im Tätigkeitsstaat besteuert werden, d.h. sie müssen in jedem Fall in die Bemessungsgrundlage einbezogen worden sein.
Tage ohne Arbeitstätigkeit
Bleibt ein Arbeitnehmer zwangsläufig aufgrund der Pandemiemaßnahmen zu Hause, aber arbeitet dort nicht, können solche Tage dennoch als fiktive Arbeitstage im Tätigkeitsstaat angesehen werden, wenn der Arbeitnehmer an einem solchen Tag normalerweise gearbeitet hätte und er weiterhin für diese Tage Gehalt vom Arbeitgeber bezieht.
Nach Ansicht beider Staaten entspricht das der von der OECD vorgeschlagenen Auslegung des Art. 15 OECD MA. Offensichtlich wird insofern an Krankheitstage oder Urlaubstage gedacht, bei denen die Nichtanwesenheit des Arbeitnehmers im Tätigkeitsstaat in der Tat für die Zuordnung der Besteuerungsbefugnis zum Tätigkeitsstaat unschädlich sein sollte.
Sozialversicherung
In den Niederlanden ansässige Arbeitnehmer, die normalerweise in Deutschland arbeiten, erhalten unter Umständen deutsches Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld oder Insolvenzgeld. Diese deutschen Sozialversicherungsleistungen werden netto gezahlt, werden aber dennoch im Grundsatz in den Niederlanden besteuert (die Konsultationsvereinbarung gibt hier fälschlicherweise als Rechtsgrundlage Art. 17 DBA NL-D 2012 an, der nur für Ruhegehälter und vergleichbare Leistungen gilt, anwendbar ist richtigerweise Art. 21 DBA NL-D 2012). Die Niederlande haben aber einseitig erklärt, dass sie auf die Besteuerung verzichten werden, soweit die Leistungen im Zusammenhang mit der Pandemie geleistet werden.
Die Vereinbarung enthält keine Aussagen zur Berücksichtigung von Homeoffice-Tagen für die allgemeine Sozialversicherungspflicht. Aber auch insoweit haben die Niederlande angegeben, dass mit der Pandemie zusammenhängende Homeoffice-Tage fiktiv als Tage zu zählen sind, an denen im Tätigkeitsstaat gearbeitet wurde.
Dauer
Die Vereinbarung ist bisher noch nicht gekündigt worden, sie gilt damit in jedem Fall vom 11.3.2020 bis zum 31.5.2020. Die Geltungsdauer verlängert sich automatisch um einen Monat, wenn zum Ende des Vormonats nicht rechtzeitig gekündigt worden ist.
Hinweis auf OECD Richtlinien zu Folgen der Pandemie
Auch die OECD hat sich mit diesen und auch anderen Fragen beschäftigt (s. OECD Secretariat Analysis of Tax Treaties and the Impact of the COVID-19 Crisis, 3. April 2020). Das OECD Dokument behandelt neben der Grenzgängerfrage auch Probleme, die im Zusammenhang mit Betriebsstätten und dem Ort der Leitung eines Unternehmens entstehen können.