Die (deutsche) Muttergesellschaft kontrolliert die Handhabung des Konzernkurses im ganzen Unternehmen. Dies ist in Konzernverhältnissen nicht nur erwünscht, sondern in gewisser Höhe auch Pflicht. Die deutsche Mutter hat nur eine Fürsorgepflicht, wenn es die Kontrolle der unterliegenden Töchtern betrifft (Konzernführungspflicht). Wenn der Kurs der niederländischen Tochter ernsthaft den Interessen des Konzerns widerfährt, ist die deutsche Mutter unter Umständen sogar dazu verpflichtet, einzugreifen. Die Aufsicht ist eines der elementaren Grundsätzen eines gut funktionierenden Unternehmers. Das primäre Interesse der niederländischen Tochter ist jedoch das Interesse des eigenen Unternehmens. Der Vorstand der niederländischen Tochter ist autonom dazu befugt, den Kurs ihres eigenen Unternehmens zu bestimmen. Diese Vorstandsautonomie wird begrenzt im Falle von Differenzen mit den Interessen anderer im Konzern.
Ohne eine statutarische Reglung, kann der Konzernvorstand der niederländischen Tochter nur allgemeine Kursanweisungen erteilen. Die Ausführung dessen kann nur schwierig erzwungen werden. Das Ersetzen des Vorstands ist oft eine zu streng eingreifende Maßnahme. Eine Alternative ist die Möglichkeit, die Umfragereglung einzusetzen. Die Unternehmenskammer des Gerichts (im Weiteren: UK) beurteilt, ob der Vorstand der niederländischen Tochter redlicher Weise den ausgeführten Kurs und die getroffenen Entscheidungen treffen durfte. Es betrifft kein inhaltliches Urteil, sondern ein Urteil bezüglich des Verwirklichens des betriebenen Kurses. Die neue Umfragereglung bietet mehr Möglichkeiten bei Uneinigkeit über den zu betreibenden (Konzern)Kurs die UK ein Urteil aussprechen zu lassen. Nicht nur der Konzernvorstand kann darum bitten, sondern auch eine Gruppe von Aktionären oder ein Aufsichtsrat, aber genauso auch andersrum, der Vorstand der niederländischen Tochter.
Die neuen gesetzlichen Bestimmungen der flex-AG bieten die Möglichkeit, einem Organ im Konzern die Befugnis zu erteilen, dem Vorstand der niederländischen Tochter Kursanweisungen zu geben. Dieses Organ kann auch das Umfragerecht nutzen, aber dies muss dann statutarisch oder vertraglich entsprechend geregelt sein.
Die statutarische Befugnis Kursanweisungen zu erteilen, darf nicht dem Vorstand der niederländischen Tochter zugesprochen werden. Es ist jedoch möglich diese Befugnis dem Aufsichtsrat, der allgemeinen Aktionärsversammlung – eventuell beschränkt auf eine bestimmte Sorte – oder der kombinierten Versammlung von Vorstand und Aufsichtsrat, zu erteilen. Es betrifft dann stets ein Organ der betreffenden niederländischen Tochter. Wenn es eine Zwischenholding gibt, besitzt die deutsche Mutter nur ein indirektes Interesse. Der Konzernvorstand könnte in dem Fall keine direkten Kursanweisungen erteilen. Dieses Problem kann man lösen, indem man die deutsche Mutter oder ein(ig)e Aktie(n) einer bestimmten Sorte der niederländischen Tochter enthält.
Die statutarische Anweisungsbefugnis bietet zusätzliche Möglichkeiten den Konzernkurs durch die niederländische Tochter ausführen zu lassen und die Handhabung dessen zu erzwingen. Die Verpflichtung, den Anweisungen Folge zu leisten, wurde im Gesetz bestimmt. Trotzdem besteht weiterhin für den Vorstand der niederländischen Tochter die Pflicht, die eigenen Interessen gegenüber denen des Konzerns abzuwägen. Bei dieser Abwägung sind die Konzerninteressen im Voraus nicht ausschlaggebend. Um die Interessen gut ab zu wägen, ist es von herausragender Wichtigkeit, dass der Vorstand der niederländischen Tochter weiß, welche Überlegungen Basis der erteilten Anweisungen sind. Auch müssen die Folgen für das eigene Unternehmen klar sein. Wenn die Folgen nicht im Widerspruch mit den Interessen der niederländischen Tochter stehen, wird es für den Vorstand der niederländischen Tochter schwieriger sein, einen abweichenden Kurs festzusetzen.
Die Kursanweisungen dürfen jedoch nicht so weit reichen, dass diese die Kursfreiheit des Vorstands der niederländischen Tochter vollständig beschränken. Das die Anweisung erteilende Organ muss die Anweisungen auf sorgfältige Weise erteilen und muss dabei die Interessen der niederländischen Tochter berücksichtigen. Der Vorstand der niederländischen Tochter muss nach einer Sorgfältigen Abwägung die Möglichkeit haben, sich abweichend zu entscheiden.
Der Vorstand der niederländischen Tochter wird jedenfalls verpflichtet sein von den erteilten Kursanweisungen abzuweichen, wenn durch den Beschluss:
- die Interessen des eigenen Unternehmens unverhältnismäßig beschädigt werden, obwohl dagegen kein Ausgleich getroffen wurde und Alternativen nicht besprochen werden können;
- die Kontinuität des eigenen Unternehmens akut gefährdet wird;
- bei der Ausführung die Folgen wegen der Redlichkeit und Vernunft nicht akzeptabel, für Dritte, die bei dem Unternehmen beteiligt sind, sind;
- bei der Ausführung gesetzliche Bestimmungen verletzt werden, oder zu berücksichtigende Sorgfaltspflichten gegenüber Dritten verletzt werden.
Wenn der Vorstand der niederländischen Tochter die Kursanweisung bekommt, werden bei der Beurteilung folgende Maßnahmen möglich sein:
- Bestimmen, ob der Entschluss zur Anweisung auf dem richtigen Weg zu Stande gekommen ist;
- Bestimmen, ob alle zu beachtenden Interessen und die Folgen der Ausführung des Entschlusses beachtet wurden;
- Interessen abwägen;
- Eventuelles Abtasten der Alternativen oder Bitte um Ausgleich;
- Das Festlegen der eigenen Überlegung und des abschließenden Beschlusses.
Wenn der Vorstand der Gesellschaft die statutarisch geschützten Interessen der Gesellschaft und anderer Beteiligten schädigt, kann dies zur Haftung führen. Durch eine, auf den Statut basierte Kursanweisung, wird sie gezwungen, Konzerninteressen zu beachten. Dies kann zu einer verzwickten Lage führen.
Wenn der Vorstand an Hand der hiervor geschilderten Weise jedoch sorgfältig die Interessen abgewogen hat, wird ihm nicht allzu schnell ein Vorwurf gemacht werden können, wenn im Interesse der eigenen Gesellschaft die erteilte Anweisung nicht befolgt wurde.
Wo jetzt das die Anweisung erteilende Organ den Kurs der niederländischen Tochter mitbestimmt, könnte es im Falle der Insolvenz das Risiko tragen, in Haftung genommen zu werden. Wenn jedoch praktisch der Vorstand der niederländischen Tochter nicht faktisch zur Seite gestellt wird, bei der niederländischen Tochter keine Rede von einem offiziellen Funktionär ist, der im Namen des Konzerns formell den Kurs bestimmt, wird von einer solchen Haftbarkeit nicht schnell die Rede sein. Wichtig ist, dass es dem Vorstand der Gesellschaft erlaubt ist, ein selbständiges Urteil bezüglich der erteilten Kursanweisung zu bestimmen, damit sie schlussendlich ein Entschluss des Vorstand der niederländischen Tochter bleibt.
Für eventuelle Rückfragen über dieses Thema, juristische Strukturen und Konzernverhältnissen, können Sie gerne in Kontakt treten mit Gabriel Spera, Anwalt und Partner bei LexQuire LLP; Mailadresse spera@lexquire.nl oder telefonisch zu unseren Bürozeiten.